Ober-Roden

Geschichte der SPD in Ober-Roden 1890 bis 1980

Inhalt

  1. Gründung des Wahlvereins
  2. Die ersten Gemeinderäte
  3. Vorkriegs- und Kriegszeiten
  4. Gründung Konsumverein
  5. 99 Jahre Wahlkreis(e)
  6. SPD Ober-Roden

 

Leider sind von diesem Verein keine besonderen Kennzeichen mehr vorhanden, aber als Grundstein für die sozialdemokratische Bewegung muss das Bestehen dieses Vereins festgehalten werden. Als äußeres Zeichen des Zusammenhaltens der damals klassenerkennenden Arbeiter darf der von Arbeitern gegründete Gesangverein Harmonia genannt werden, der unter dem Zeichen der roten Fahne marschiert. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass aufgrund der immer mehr beschäftigten männlichen Arbeiter in Offenbach und Frankfurt sich die Gründung einer gesetzlichen Hilfskrankenkasse notwendig machte. Auch diese Gründung war das Verdienst von Georg Mackert, deren Vorsitzender er bis zur Auflösung und Ablösung durch die Reichs-Versicherungs-Ordnung im Jahr 1906 war.“ Dass es in Ober-Roden zum Zeitpunkt des Erlasses des „Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ vom 21.10.1878 sozialdemokratische Vereine bzw. Einrichtungen gegeben hat, dafür spricht auch der Hinweis, dass der im Gemeindearchiv Ober-Roden vorhandene Erlass des „Großherzoglichen Kreisamtes Dieburg an die Großherzoglichen Bürgermeistereien des Kreises“ vom 1.11.1878 den handschriftlichen Vermerk „12.11.78 erledigt“ trägt. An anderer Stelle dieser Festschrift ist der im amtlichen Kreisblatt „Odenwälder Bote“ vom 6.11.1878 veröffentlichte Erlass des Dieburger Kreisassessors Schönfeld in Reproduktion wiedergegeben.

Ereignisse 1890

Die Gründung des Wahlvereins von Ober-Roden fiel in eine bewegte politische Zeit. Zum Jahreswechsel beunruhigte der „Elberfelder Sozialistenprozess“ die Öffentlichkeit. Im Februar besiegte der Sozialdemokrat Ulrich in der Stichwahl den Nationalliberalen Böhm und holte den Wahlkreis Offenbach-Dieburg für die Sozialdemokraten zurück; im Reich verdreifachten sich die sozialdemokratischen Sitze (1887: 11, 1890: 35 sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete). Im März legte die Internationale Arbeiterschutzkonferenz ihre Empfehlungen vor, um den schlimmsten Auswüchsen der Arbeiter-Ausbeutung, insbesondere der arbeitender Kinder, Jugendlicher und Frauen, entgegenzutreten. Im gleichen Monat kam es zur spektakulären Entlassung Bismarcks als Reichskanzler durch Wilhelm II. Im April wurde im Großherzogtum Hessen ein Gesetzentwurf zum Ausbau der Eisenbahnen vorgelegt, der auch die Einrichtung der Nebenstrecke Ober-Roden-Dreieichenhain vorsah. Gemäß Beschluss des internationalen Sozialistenkongresses 1889 in Paris sollte erstmals der 1. Mai 1890 als Demonstrationstag der internationalen Solidarität der Arbeiterschaft begangen werden. Fünfeinhalb Monate nach Gründung des hiesigen „Wahlvereins“ fällt am 30.9.1890 das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“. Der „Wahlverein für volksthümliche Wahlen“ von Ober-Roden nennt sich fortan „Sozialdemokratischer Wahlverein“.

 

Die ersten sozialdemokratischen Gemeinderäte

Der „Odenwälder Bote“ vom 30. Juli 1898 berichtet: „ORo. Gelegentlich der letzten Reichstagswahl hatte der Sozialdemokrat Franz Neuhäusel dahier eine Centrumsveranstaltung in gröblichster Weise zu stören versucht und sich dabei in rohen Redensarten gegen die Geistlichkeit ergangen. Vom Schöffengericht zu Langen wurde Neuhäusel nunmehr wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu 2 Monaten, wegen Hausfriedensbruchs zu 7 Wochen Gefängnis verurtheilt.“

1908 erste Mai-Demonstration in Ober-Roden

Das Protokoll der Mitgliederversammlung vom 11.4.1908 führt u. a. aus: „Der Vorsitzende Hornung eröffnete die Versammlung um 9.30 Uhr … Genosse Weber erstattete sodann Bericht vom Gemeinderat über unsere beiden Anträge: Plakattafeln und Lehrmittel der Schulkinder. Der Antrag, Plakattafeln anzubringen, ist im Gemeinderat angenommen. Die Lehrmittel der Schulkinder zum Selbstkostenpreis wurden auch angenommen, und zwar vom Jahre 1909 an. Die Versammlung erklärt sich mit dem Bericht befriedigt … Zu Punkt Maifeier stellte der Vorstand den Antrag, dieselbe wie alljährlich zu begehen. Dieser Antrag wurde abgelehnt und ein Antrag von G. Rink und Merget, ein Demonstrationszug zu halten, wurde mit großer Majorität angenommen. Hierzu soll mit den uns nahestehenden Vereinen eine kombinierte Sitzung mit je einem Mitglied abgehalten werden. Die Versammlung spricht sich noch gegen das Verhalten der Hauptvorstände beider Organisationen aus, nämlich daß die Kosten der gemaßregelten Arbeiter am 1. Mai die Lokalorganisationen tragen…“

 

1912-1918: Vor- und Kriegszeit

Die SPD Ober-Roden und der Erste Weltkrieg von 1914/18

Zwischen dem 16.5.1914 und dem 11.7.1920 klafft in den Aufzeichnungen der SPD Ober-Roden eine Lücke. Am 16.5.1914 sprach im Mainzer Hof nochmals Ludwig Rink aus Urberach über die „Notwendigkeit der politischen Organisation“. Es wurde ein neuer Vorstand gewählt, mit Philipp Mieth I. an der Spitze, Adam Schrod XIII. als Stellvertreter, Johann Hörner als Kassierer, dem Schriftführer Adam Euler sowie als Beisitzer Philipp Schrod und Philipp Marder. Aber eine Versammlung oder Sitzung ist danach nicht mehr verzeichnet. Sechs Wochen danach ist in Europa Krieg. Hornung schreibt in seiner „Geschichte der Arbeiterbewegung von Ober-Roden“: „Es kam der Weltkrieg 1914/18. Bis zu dieser Zeit war der Arbeitergesangverein das hauptsächlichste Bindeglied der Arbeiterbewegung am Orte, wurde am meisten bekämpft und hatte dementsprechend die meisten Opfer zu bringen. Die Tätigkeit des Vereins wurde brachgelegt, indem fast alle Soldaten wurden. Folgende Sangesgenossen starben im Felde: Adam Euler, Johann Kummerant, Heinrich Gotta, Franz Beck und Christian Schleinkofer. Beck, Franz wurde von Pfarrer Gallei sogar das Sterbegeläute versagt. Ehre ihrem Andenken!“

 

Gründung und Geschichte des Konsumvereins in Ober-Roden

Daraufhin kaufte man in der Dieburger Straße 79 einen Bauplatz und baute 1927 eine zweite Filiale. Lagerleiter dort wurde ein Genosse namens Kurt Obermeder aus Sprendlingen. In dieser Zeit verlegte der Konsumverein Sprendlingen seinen Sitz nach Frankfurt/Main. Bis dahin war der Konsum eine echte Genossenschaft. Des öfteren hatten die örtlichen Konsumgenossenschaften Delegierte zu Versammlungen zu entsenden und dort ein echtes Mitspracherecht. Aber schon Ende der zwanziger Jahre wandelte sich der Konsum in ein von Direktoren geleitetes Unternehmen. 1933 wurde er wie alle Arbeiterorganisationen aufgelöst, das Vermögen von den Nazis beschlagnahmt. Nach 1945 wurde erneut versucht, den Konsum unter dem Namen „Co op“ zu begründen. Neben der katholischen Kirche wurde ein Haus gekauft und 1965 neu gebaut. Die Konsumgenossenschaft konnte aber angesichts der Entwicklung zu Supermärkten und Discountläden ihr örtliches Filialsystem nicht aufrecht erhalten. Der örtliche Konsum musste geschlossen werden. Die Genossenschaftsmitglieder bekamen ihre Geschäftsanteile zurückgezahlt.

 

99 Jahre Wahlkreis(e) „Dunnerkeil“

Reichstagswahl 28.10.1884: Wilhelm Liebknecht verteidigte das 1881 erstmals gewonnene Mandat. In der Reichtagswahl 1887 fiel es jedoch nochmals an die National-Liberalen.
Reichstagswahl 21.2.1887: Johann Baptist Hornung schreibt dazu in seiner 1947 verfassten „Geschichte der Arbeiterbewegung von Ober-Roden“: „Ich erinnere mich noch an die Reichstagswahl 1887 (Faschingswahl, wo der alte Genosse Wilhelm Liebknecht in Ober-Roden, wie im ganzen Kreis, nicht reden durfte, er sich aber doch im überfüllten Wirtslokal — im heutigen „Schützenhof‘ — den Wählern vorstellte und in Unterhaltung redete. Am Schlusse überreichte er den Parteianhängern seine Photographie.“ Liebknecht unterlag Böhm und vertrat in den Jahren danach einen Wahlkreis der Stadt Berlin im Reichstag.
Reichstagswahl 20.2.1890: Erstmals gewann Carl Ulrich den Wahlkreis, den er jahrzehntelang im Reichstag für die Sozialdemokraten vertreten hat.

Die Reichstagswahl von 1898

Besonderheiten dieser Wahl sind, dass Ulrich bereits im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit gewählt wurde, aber auch die Verdrängung der National-Liberalen im Wahlkreis auf Platz 3, bei Stärkung der Stellung des Centrums. Die Rückschläge der National-Liberalen korrespondieren mit der Entstehung und dem Anwachsen antisemitischer Kräfte, die erstmals 1893 mit einem eigenen Kandidaten zur Reichstagswahl im Wahlkreis aufgetreten sind. Zu den 13 Reichstagswahlen der Jahrzehnte 1871 bis zum Zusammenbruch des Kaiserreichs 1918 ist anzumerken, daß ausschließlich männliche Deutsche, die das 25. Lebensjahr vollendet hatten, wahlberechtigt waren. Personen, die aus öffentlichen Mitteln „Armen- Unterstützung“ erhielten, blieben ebenfalls vom Wahlrecht ausgeschlossen (Ulrich schildert in seinen Lebenserinnerungen, wie in Offenbach städtisch beschäftigte Arbeiter noch in den 90er Jahren als Almosen-Empfänger klassifiziert worden sind, um ihnen das Wahlrecht vorzuenthalten). Die notwendige Einschreibung in das Wählerverzeichnis hatte tagsüber zu erfolgen und führte ebenso zu Verdiensteinbußen wie die Ausübung des Wahlrechts selbst — der Wahltag lag stets werktags.

Wahlkreise in der Weimarer Republik

In der Weimarer Republik war für die Reichstagswahlen ein reines Proporzsystem gültig. Das Reich war ein einziges Wahlgebiet, die Wahlkreise hatten nur den Charakter einer Regional-Gliederung zur besseren Ermittlung des Wahlergebnisses. Ganz Hessen-Darmstadt bildete einen solchen Wahlkreis, in dem (bei der Wahl zur Nationalversammlung 1919) 9 Abgeordnete zu wählen waren. Bis zum Jahr 1930 gehörte Carl Ulrich für Hessen-Darmstadt dem Reichstag an. An seine Stelle trat 1930 Heinrich Ritzel, 1949-1963 Bundestags-Abgeordneter des Wahlkreises Dieburg. Für den 1930 verstorbenen Dr. Eduard David, der seit 1903 Reichstagsmitglied und 1919 Präsident der Weimarer Nationalversammlung gewesen ist, rückte im Januar 1931 Wilhelm Weber, geboren 4.2.1876 in Ober-Roden, in den Reichstag nach. Dritter sozialdemokratischer Reichstags-Abgeordneter für den Wahlkreis Hessen-Darmstadt war ebenfalls seit 1930 Dr. Carlo Mierendorff, der in der Nazizeit lange Jahre in KZ-Haft und im Widerstand gegen das Hitler-Regime aktiv war.

Das Wahlverfahren in der Bundesrepublik Deutschland

Das Wahlverfahren in der Bundesrepublik Deutschland wurde als Mischverfahren von Verhältnis-Wahlrecht und Mehrheits-Wahlrecht konstruiert. Zwar findet auf Ebene der Bundesländer eine Verrechnung nach dem Verhältnis-Wahlrecht statt, die Hälfte der Bundestagsabgeordneten wird aber mit den sog. Erststimmen nach dem Mehrheits-Wahlrecht gewählt. So erstanden die alten Wahlkreise des Kaiserreichs neu, wenn auch in verändertem Zuschnitt.

Der alte Wahlkreis „Dunnerkeil“

Der alte Wahlkreis „Dunnerkeil“ wurde zweigeteilt. Die Stadt Offenbach und der größere Teil des Kreises Offenbach wurden zusammengefasst (Wahlkreis Offenbach), zum anderen der Südost-Teil des Kreises Offenbach, der frühere Kreis Dieburg und neu hinzugefügt der Odenwaldkreis (Wahlkreis Dieburg). Beide Bundestags-Wahlkreise sind in Wahrung der „Dunnerkeil“-Tradition sozialdemokratisches Stammland geblieben. 1961—1969 vertrat der spätere hessische Sozialminister Dr. Horst Schmidt den Wahlkreis Offenbach, seit 1972 war Manfred Coppik dort direkt gewählter Bundestags-Abgeordneter. Im Wahlkreis Dieburg, dem wir zugehören, war bis 1963 Heinrich Ritzel direkt gewählter Abgeordneter, 1963 bis 1976 Willi Bäuerle, nach 1976 unser früherer Landrat des Kreises Dieburg, Heinrich Klein.

 

Der SPD-Ortsvereinsvorstand 1980

Der SPD-Ortsvereinsvorstand im Jahr 1980 bestand aus:

v.l.n.r. sitzend: Heinz Eyßen, Vorsitzender Dietmar Zimmermann, Ortsbezirks-Vorsitzende Susanne Müller, Pressewart Karl-Heinz Oberfranz, Stellv. Vorsitzender Jochen Zeller; v.l.n.r. stehend: Gerhard Weber, Eckart Sänger, Stellv. Vorsitzender Norbert Schultheis, Dr. Siegfried Bartels, Stellv. Kassierer Detlef Schmid, Christa Zimmermann, Ortsvereinskassierer und Vorsitzender des Ortsbezirks Urberach Herbert Schrod, Ernst Schröder und Schriftführerin Marianne Gräser.

Der SPD-Ortsbezirksvorstand 1980 bestand (ohne Gruppenfoto) aus:

Vorsitzende: Susanne Müller
Vorsitzender: Gerhard Weber
Schriftführerin: Christa Zimmermann
Beisitzer: Joachim Braun, Günter Frieß, Theo Frieß, Siegfried Lenkeit und Jochen Zeller

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